Klare und eindeutige
Formulierung des gewünschten,
sicheren Arbeitsverhaltens.
Ein fatales Zusammenspiel
Unsicheres Verhalten und suboptimale technische Bedingungen
BEHAVIOR BASED SAFETY BBS
Unsere LeistungenDorothee Giffey
Edgar Nacken-von Rudzinski
Artikel in der Zeitschrift „Betriebliche Prävention Juli/August 2019“
BBS (Behavior Based Safety) ist ein seit Jahrzehnten bewährter Ansatz zur Unfallverhütung, der unmittelbar an der Hauptursache für Betriebsunfälle ansetzt: Dem Risikoverhalten. BBS fördert sicheres Arbeitsverhalten durch systematische Verhaltensbeobachtung, durch positives Feedback zu sicherem Verhalten und durch konstruktive und lösungsorientierte Rückmeldung zu riskantem Verhalten. BBS bezieht die Beschäftigten auf wertschätzende Art und Weise in den Arbeitsschutz ein und macht sie zu kompetenten Akteuren im betrieblichen Arbeitsschutz.
Ein Maschinenbediener reinigt gegen Schichtende eine Walze an seiner Maschine, indem er eine trennende Schutzvorrichtung überwindet und bei laufender Maschine einen Putzlappen gegen die rotierende Walze drückt. Dabei wird seine Hand zwischen der Walze und einer feststehenden Kante eingezogen und abgetrennt.
Ein Produktionsmitarbeiter geht während der Nachtschicht zum Pausenraum. Er wählt als kürzesten Weg einen Fahrweg für Flurförderzeuge und passiert dabei einen Stapler, dessen Fahrer in einer seitlich vom Fahrweg befindlichen Nische Materialbehälter absetzt. Der Mitarbeiter wartet nicht in sicherem Abstand, bis er Blickkontakt zum Staplerfahrer aufgenommen hat, sondern geht unmittelbar an der Rückseite des Staplers vorbei. In diesem Moment setzt der Staplerfahrer zurück und erfasst den Fußgänger, der zu Boden geworfen und schwer verletzt wird.
Eine Mitarbeiterin aus der Verwaltung möchte einen Stapel leere Archivkartons in den dafür vorgesehenen Kellerraum bringen. Um Zeit zu sparen, entscheidet sie sich dafür, alle Kartons auf einmal zu tragen. Sie nimmt den hohen Stapel Kartons auf und trägt ihn vor der Brust. Dadurch in ihrem Blickfeld eingeschränkt, geht die Mitarbeiterin die Treppe hinunter. In der Annahme, dass die Treppe bereits hinter ihr liegt, knickt sie auf der letzten Stufe mit dem Fuß um und stürzt. Dabei erleidet sie einen Außenbandriss im Fußgelenk und eine Fraktur des rechten Handgelenks.
Drei Beispiele für schwerwiegende Arbeitsunfälle, die durch sicherheitswidriges Risikoverhalten ausgelöst wurden. Drei Beispiele auch für Arbeitsunfälle, durch die der deutschen Wirtschaft jährlich Verluste in Milliardenhöhe entstehen.
Bei den genannten Beispielen entsteht der Eindruck, als handele es sich hier um besonders gravierende und eher seltene Verstöße gegen grundlegende Sicherheitsvorschriften. Tatsache aber ist, dass riskantes Verhalten bei den meisten Arbeitsunfällen eine entscheidende Rolle spielt. Über Jahrzehnte hinweg befassten sich Wissenschaftler mit der Frage nach den Ursachen von Arbeitsunfällen (Heinrich & Grannis, 1959; Watson, 1986; Loafman, 1996; McSween, 2003; zit. nach Bördlein [1]). Sie alle kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Die überwiegende Mehrzahl der untersuchten Arbeitsunfälle (nämlich je nach Studie 76 - 94%) wurde durch riskantes Verhalten der Beschäftigten ausgelöst.
Es darf also mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass Betriebsunfälle, welche sich trotz hoher technischer und arbeitsorganisatorischer Schutzstandards auch heute noch ereignen, in sehr vielen Fällen verhaltensbedingt sind. Zahlreiche Beispiele aus der täglichen Praxis der Autoren bestätigen, dass dem Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften eine zentrale Bedeutung für die Unfallentstehung zukommt.
Belässt man es bei diesem Befund, dann ist schnell der Mitarbeiter als „der Schuldige“ gefunden. Folgerichtig müsste der Mitarbeiter erneut unterwiesen, geschult, ermahnt oder gar disziplinarisch belangt werden, damit er sich in Zukunft sicher verhält und sich der Unfall nicht wiederholt.
Analyse an Stelle von Schuldzuweisung
Dieses Konzept der Schuldzuweisung und Disziplinierung hat sich jedoch als wenig angemessen und wirksam erwiesen: Führungskräfte beklagen allenthalben, dass sich zu viele Mitarbeiter trotz regelmäßiger Unterweisung, wiederholter Ansprache und eingehender Kenntnis konkreter Unfallereignisse im eigenen Betrieb immer wieder regelwidrig verhalten und riskantes Arbeitsverhalten zeigen.
Aus verhaltensanalytischer Sicht ist das keineswegs überraschend, denn es gilt als gesichert, dass menschliches Verhalten ganz wesentlich durch seine unmittelbaren Folgen und weniger durch vorausgehende Bedingungen (wie Unterweisungen, Ansprache und Kenntnis wirksam gewordener Gefährdungen) beeinflusst wird. In Betrieben wird jedoch weit überwiegend in die Gestaltung von Umgebungsbedingungen investiert: Es werden Verhaltensregeln formuliert, Betriebsanweisungen erstellt, Schulungen und Unterweisungen durchgeführt und Beschilderungen angebracht. Im Sinne der Verhaltensanalyse sind dies alles richtige und notwendige Bedingungen; sie sind allerdings leider keine hinreichende Voraussetzung für die Förderung von sicherem Arbeitsverhalten. Genau an diesem Punkt, nämlich der systematischen Gestaltung von Verhaltenskonsequenzen, setzt Behavior Based Safety (BBS) an.
Verhalten wird entscheidend durch Konsequenzen beeinflusst
Arbeitsverhalten wird erst dann nachhaltig beeinflusst, wenn neben sicherheitsförderlichen Umgebungsbedingungen vor allem die Folgen von riskantem oder sicherem Arbeitsverhalten (sog. „Verhaltenskonsequenzen“) in den Fokus genommen und systematisch gestaltet werden.
ABC-Modell der Verhaltensanalyse
Der Mensch passt sein Verhalten sehr flexibel an seine jeweilige Umgebung an. Die innerhalb dieser Umgebung vorausgehenden Bedingungen und nachfolgenden Konsequenzen prägen sein Verhalten. Im betrieblichen Kontext entscheiden Umgebungsbedingungen und Konsequenzen maßgeblich darüber, wie sich Mitarbeiter bei der Arbeit verhalten.
Grob gesagt, lösen vorausgehende Bedingungen ein Verhalten aus; Konsequenzen sorgen dafür, dass es beibehalten wird. Verhalten ist also ein Resultat der Einflüsse aus der jeweiligen Lebens- oder Arbeitsumwelt.
Die dem BBS zugrunde liegende Verhaltensanalyse beschreibt diesen Prozess der Verhaltensformung durch Verhaltenskonsequenzen. BBS macht sich das ABC-Modell zunutze, indem es sicheres Arbeitsverhalten zeitnah mit positiven und vorhersehbaren Konsequenzen verbindet. Genau dann nämlich sind Konsequenzen besonders wirksam: Wenn sie positiv sind und unmittelbar mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten.
Für die Praxis bedeutet das einen Paradigmenwechsel: Weg von der Suche nach Fehlverhalten und Sanktionierung, hin zur Wahrnehmung und Förderung sicheren Arbeitsverhaltens sowie zu positiven, unmittelbaren und sicher eintretenden Konsequenzen.
BBS setzt auf positive Verstärkung
BBS ist ein seit Jahrzehnten im anglo-amerikanischen Sprachraum erfolgreich eingesetzter, verhaltensorientierter Arbeitsschutzansatz, der als Ergänzung zum technischen und organisatorischen Arbeitsschutz signifikante Fortschritte in der Unfallverhütung ermöglicht.
Das BBS-Konzept bezieht die Mitarbeiter aktiv mit in den Arbeitsschutzprozess ein und motiviert sie dazu, aus eigener Überzeugung sichere Arbeitsgewohnheiten zu entwickeln. Mitarbeiter werden nicht als Risikofaktor betrachtet, sondern als zunehmend kompetente Akteure, denen auf Augenhöhe wertschätzende Rückmeldung zu ihrem Arbeitsverhalten gegeben wird.
Mit BBS sollen die Beschäftigten dabei „erwischt“ werden, wie sie sicher arbeiten – damit genau dieses Verhalten positiv verstärkt werden kann. Auf diese Art werden die Beschäftigten durch BBS angeregt, sichere Gewohnheiten zu entwickeln und damit entscheidende Beiträge zur Unfallvermeidung zu leisten – in Form von sicherem Arbeitsverhalten.
Von der Vision „Null Unfälle“ zu 100% sicherem Verhalten
Anstelle der Vision „Null Unfälle“ setzt BBS konkrete und erreichbare Ziele. Die Vision der „Null Unfälle“ ist eine Utopie, durch die eine Organisation und deren Mitarbeiter allzu leicht überfordert werden. Es ist unrealistisch, von seinen Beschäftigten zu verlangen, keine Unfälle mehr zu haben, denn Arbeitsunfälle sind nicht ausschließlich auf Risikoverhalten, sondern auch auf Ursachen zurückzuführen, die durch die Beschäftigten nicht beeinflussbar sind. Man kann aber in einer ausgereiften Arbeitsschutzorganisation von jedem Mitarbeiter verlangen, dass er ein zu 100% sicheres Arbeitsverhalten zeigt. Und darauf wirkt BBS hin.
Was unterscheidet BBS von herkömmlichen Arbeitsschutzkonzepten?
BBS sucht nicht nach Schuldigen, sondern nach Ursachen, z.B. unzureichend gestalteten Bedingungen, sowie nach sicheren Verhaltensalternativen. BBS fördert sicheres Verhalten durch systematische positive Verstärkung von sicherem Arbeitsverhalten. BBS reduziert riskantes Verhalten durch konstruktives Feedback auf Augenhöhe.
Die 5 Grundprinzipien von BBS
Damit BBS wirksam zur Unfallverhütung und Kostenreduktion beitragen kann, sind fünf BBS-Grundprinzipien unbedingt zu beachten.
Die konsequente Anwendung dieser fünf Grundprinzipien gibt der Arbeitssicherheitsorganisation einen entscheidenden Impuls. Einmal eingeführt, lassen sich auch andere betriebliche Kernthemen mit Hilfe der gleichen BBS-Prinzipien optimieren, um den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu stärken.
Klare und eindeutige
Formulierung des gewünschten,
sicheren Arbeitsverhaltens.
Beobachtung des
Verhaltens der
Beschäftigten.
Positives und konstruktives
Feedback zum Verhalten der
Beschäftigten.
Setzen von verhaltensbezogenen
Veränderungszielen.
Aufrechterhaltung der Verhaltensänderung durch
positive Verstärkung.
BBS fördert sicheres Verhalten auch da, wo keiner hinschaut und kontrolliert:
Dorothee Giffey ist Geschäftsführerin bei BGM konkret eK in Hamburg, hat einen Abschluss als Betriebliche Gesundheitsmanagerin der Universität Hamburg, ist Fachkraft für Arbeitssicherheit, Systemische Transaktionsanalytikerin und Betriebspsychologin (FH).
Edgar Nacken-von Rudzinski ist Dipl.-Psychologe (AO) mit klinischer und arbeitspsychologischer Zusatzqualifikation sowie Fachkraft für Arbeitssicherheit bei der ZF Friedrichshafen AG. Seine fachlichen Schwerpunkte sind u.a. der verhaltensorientierte Arbeitsschutz und die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung.
[1] Bördlein, C. (2015): Verhaltensorientierte Arbeitssicherheit – Behavior Based Safety (BBS). 2., neu bearbeitete Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin
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